Film-Festival mit Vortrgen in Graz: Karl Mays kritischer Narzissmus

Karl Mays Helden sind auf den ersten Blick hin Weltbürger, die auf dem Fundament einer soliden kulturellen Identität stehen: deutsch und doch weltoffen; christlich und trotzdem an anderen Religionen interessiert; rational-wissenschaftlich und dennoch mythologischen Lebenswelten gegenüber affin. Doch dieser Eindruck täuscht. Denn Old Shatterhand, Dr. Sternau oder auch Hadschi Halef Omar sind vor allem eines – ausgeprägt narzisstische Persönlichkeiten. Niemand ist klüger und geschickter als sie; niemand wird mehr bewundert und verehrt. Mays Helden kultivieren ein Größen-Selbst, das zeitweise Superman- Qualitäten erreicht – und dann doch vom Autor immer wieder zurückgestutzt wird: Kara Ben Nemsis gelebtes Christentum etwa ist, woran May erst gar keine Zweifel aufkommen lässt, die reife, „wirkliche“ religiöse Lebensform; dieses Christentum immer wieder einmal mit dem Islam zu konfrontieren: das darf „drinnen sein“. Und mag auch der junge Old Shatterhand ein wahrer Meister des Schießens und Reitens sein – ein wenig „indianische Schulung“, wie sie ihm Winnetou zukommen lässt, kann der Meisterschaft noch die eine oder andere Dimension an Können hinzufügen.

Was bei May auf diese Weise entworfen und inszeniert wird, ist eine Art „kritischer Narzissmus“; also eine narzisstische Grundhaltung zur Welt, die dank eines Schusses „wohldosierter Selbst- und Kultur-Reflexion“ ihren massiven Narzissmus gleichsam zu einem gesunden und legitimen zu machen versucht. May wird mit dieser Strategie nicht nur zum Vordenker massenmedial geprägter Selbst-Konstruktionen: Es drängt sich auch die These auf, dass dieser „kritische Narzissmus“ im Deutschland der Nachkriegszeit interessant erschien, erlaubte er doch wieder „legitim narzisstisch“ zu sein; nämlich in Form deutscher Helden, die stolz auf Filmleinwänden in Prärien und Wüsten die Welt retten. Dieser These wie auch den anderen skizzierten Interpretationen von Mays Tun gilt es nachzugehen. Was das Festival, dessen Anlass der 100. Todestags von Karl May und der 50. Jahrestags der Uraufführung von „Der Schatz im Silbersee“ ist, mit Vorträgen und Filmen tun wird.

15. und 16. Dezember 2012, Fimzentrum im Rechbauerkino, Graz Österreich

Infos unter http://www.filmzentrum.com/neu/files/KMA4.pdf